Ein Blick in die Waagschale der Justitia: Exkursion zum Amtsgericht Köln

Luxemburger Straße 101, 50939 Köln: eine Adresse, von der ich hoffe, dass sie den meisten von uns erspart bleiben wird. Dort befindet sich nämlich seit 1981 das Land- und Amtsgericht Köln.

Trotzdem entschieden sich der Projektkurs Recht von Herrn Dr. Thomalla und die Rechtskunde-AG unter der Leitung von Herrn Dr. Barth, Zivilrichter am genannten Amtsgericht, am 06.02.2023 zu einer gemeinsamen Exkursion.

Dort angekommen, erwarteten uns flughafenähnliche Zustände: eine Anzeigetafel, die allen Prozessbeteiligten einen Gerichtssaal zuwies; Sicherheitskontrollen, die uns auf Waffen und Gefahrenstoffe überprüften, und dieser seltsame Eindruck, nicht in der Schlange weiterzukommen.

Nach kurzer Zeit und einem kleinen Malheur (ja, Bastelscheren im Mäppchen werden auch als mögliche „Waffen“ klassifiziert!) wurden wir in zwei kleinere Gruppen aufgeteilt und jeweils zwei Strafverhandlungen zugeteilt.

Hier meine Fälle kurz und knapp zusammengefasst: Auf der Tagesordnung standen zwei Ladendiebstähle. Ein seit dreißig Jahren heroinabhängiger Mann hatte mehrere Kleidungsstücke im Wert von 149 Euro mitgehen lassen, wurde aber noch vor Vollendung seiner Tat entdeckt und gefasst.

Die kurze Beweisaufnahme war vor allem dem Fakt geschuldet, dass der Angeklagte seine Tat direkt nach seiner Entdeckung gestand und dies auch schriftlich bestätigte. Zuungunsten des Angeklagten hatte sich seit 1989 ein üppiges Strafregister angesammelt, welches dann auch, so viel Zeit musste für die insgesamt 37 Einträge nämlich sein, verlesen wurde. Ungünstig aber auch, weil der Diebstahl mitten in die dreimonatige Bewährungszeit des Angeklagten fiel.

Schließlich hieß es: Acht Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung! Der Richter honorierte dabei in seiner Urteilsbegründung die Ehrlichkeit des Mannes und den „leichten Positivtrend“, der sich in den Augen des Vorsitzenden vor allem durch eine bald anstehende Therapie in Essen manifestierte. Am Ende überraschte dennoch die Milde des Urteils.

In einer anschließenden Prozessreflexion betonte Herr Dr. Barth jedoch, dass eine Freiheitsstrafe hier das letzte Mittel der Wahl sei, besonders, weil der Angeklagte einerseits durch seine Heroinsucht schon schwer genug durchs Leben gehe und andererseits keine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle.

Die zweite Strafverhandlung widmete sich einer jungen Mutter, welche bei Deichmann ein Paar Schuhe im Wert von 25 Euro mitnahm, ohne diese zu bezahlen. Eine aufmerksame Auszubildende bemerkte das Piepsen der Magnetschranke und konnte die Diebin schließlich fassen.

Dabei sorgte die Frage des Richters, ob die Dame aussagen oder von ihrem Schweigerecht Gebrauch machen wolle, bei der Angeklagten sichtlich für Irritationen: Nach einer halben Minute der Stille antwortete sie verwirrt: „Was soll ich jetzt nochmal sagen?“

Während der Verhandlung fiel vor allem auf, wie wichtig es ist, einen kompetenten Verteidiger zu finden. Ein perfektes Negativbeispiel lieferte dabei die Anwältin der Angeklagten: Nicht nur hatte sie es versäumt, Akten, die das Gericht für einen bestimmten Zeitraum herausgegeben hatte, zurückzugeben, sondern mehrmals erzürnte sie den Richter darüber hinaus mit Anträgen zur Verlegung des Prozesses.

Am Ende folgten die Plädoyers, 30 Tagessätze à 30 Euro schlug der Staatsanwalt vor, während die Verteidigerin von der Unschuld ihrer Mandantin überzeugt war und Freispruch forderte. 50 Tagessätze à 10 Euro lautete das Urteil des Richters.

Danach rekapitulierten wir die gesammelten Eindrücke in Anwesenheit von Herrn Dr. Barth, welcher abschließend die Vorzüge des Richterseins hervorhob und Fragen beantwortete.

Gelungen, informativ und lehrreich: So lautet unser Urteil zu dieser erfolgreichen Exkursion!

 

                                                                                                                                                        Text: Stefan Kast

Fotos: Dr. Klaus Thomalla

                                                                                    Organisation: Dr. Günter Barth und Dr. Klaus Thomalla