Ein „karnevalesker“ Strafprozess

Am Montag, dem 18. März 2024, war der Projektkurs Recht der Jahrgangsstufe Q1 gemeinsam mit der Rechtskunde-AG im Amtsgericht Köln zu Gast.

Eingeladen von Herrn Dr. Barth, welcher neben seiner Richtertätigkeit am Landgericht auch die Rechtskunde-AG am Lessing-Gymnasium leitet, brach die Gruppe nach der ersten Stunde zum Gericht auf.

Dort konnten die Schülerinnen und Schüler an den öffentlichen Verhandlungen des Amtsgerichts teilnehmen. Hierzu trennten sich der Projektkurs und die Rechtskunde-AG, da die Gerichtssäle nicht für so viele Zuschauer ausgelegt sind.

Während die Schüler der Rechtskunde-AG gleich mehrere Verhandlungen besuchen konnten, wurden die Schüler des Projektkurses Zeuge eines typisch „kölschen“ Falles: Angeklagt wurde ein Mann, der in der Innenstadt wohnt und dessen Wohnung sich hinter den Absperrungen befindet, welche während des Karnevals für die „Schull- un Veedelszöch“ errichtet werden.

Diesem wurde die Einfahrt in die Straße zu seinem Haus von Sicherheitskräften verwehrt. Anstatt auf die Polizei zu warten, welche gerade durch die Frau des Angeklagten hinzugezogen wurde, entschied sich der Angeklagte jedoch, die Absperrung zu umfahren.

Laut der Anklage soll er dabei auf einen Sicherheitsmann zugefahren sein und diesen auch berührt haben und im Anschluss einen weiteren Sicherheitsmann mehrere Meter mitgeschleift haben, während sich dieser am geöffneten Beifahrerfenster festhielt. Später hat der Zeuge sich dann korrigiert und den Angeklagten darin bestätigt, dass es sich um das Fenster auf der Fahrerseite handelte.

Die beiden Sicherheitsmänner sowie die Frau des Angeklagten wurden als Zeugen vorgeladen. Der erste Zeuge, welcher angeblich mitgeschleift worden war, hat sich in zum Teil kruden Widersprüchen verfangen und Aussagen getätigt, welche nicht der Realität entsprechen konnten, da ein Auto in 50 Metern schwerlich auf 50 km/h beschleunigen und wieder abbremsen kann.

Der Staatsanwalt erkannte die Situation und wollte die Anklage zurückziehen, da er jedoch noch im Referendariat war, musste er für eine solche Entscheidung mit seinem Vorgesetzten Rücksprache halten. Da sein Betreuer, welcher auch mit dem Fall bekannt ist, nicht erreichbar war, musste er sich an einen Notstaatsanwalt wenden, welcher sich dafür entschied, die Anklage nicht fallen zu lassen.

So war er gezwungen, ein Schlussplädoyer zu halten, in dem er die Verurteilung des Angeklagten zu 30 Tagessätzen wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b forderte. (Die Höhe des Tagessatzes bemisst sich nach den Einkünften des Angeklagten aus selbstständiger und nichtselbstständiger Arbeit). Die Anwältin des Angeklagten plädierte auf Freispruch.

Die Richterin folgte der Begründung der Anwältin, dass die Aussagen der Zeugen abwegig gewesen seien und daher die Vorwürfe nicht haltbar seien. Vor allem hat sie darauf hingewiesen, dass beim Tatbestand des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr das Auto als Waffe eingesetzt werden muss. Das wäre zum Beispiel dann der Fall, wenn Bankräuber auf einen Polizisten zufahren, um diesen aus dem Weg zu räumen. Im vorliegenden Sachverhalt hat der Angeklagte lediglich auf seinem gewohnten Platz parken wollen und wurde mithin zu Recht freigesprochen.

Da alle im Gerichtssaal wussten, dass die große Anzahl an jungen Zuschauern wohl mit einer Exkursion zu tun hatte, erklärte die Richterin noch einige Abläufe und Prozesse genauer. Und auch der Angeklagte erzählte uns nach der Urteilsverkündung noch, wie er das Verfahren erlebt hat.

Im Anschluss an die Gerichtsverhandlung kamen der Projektkurs und die Rechtskunde-AG in einem Gerichtssaal des Landgerichts zusammen, um gemeinsam mit Herrn Dr. Barth den Tag und die Prozesse zu reflektieren und noch einmal alle formellen Abläufe eines Prozesses durchzusprechen.

Text: Richard Kenter

Verantwortlicher Lehrer: Dr. Klaus Thomalla